Negotiate like an Egyptian…

On 22. Oktober 2011 by rkuebler

Der empfohlene Soundtrack für diesen Post: The Bangles

Zu Beginn eine kleine Impression vom Frühstück. Dazu super frischen Joghurt und Minze. Einen besseren Start kann man sich nicht wünschen!

Entgegen aller Schwüre haben wir uns doch wieder entschlossen nach Europa rüber zu machen. Wer bei Facebook ist, kann auch unser heutiges Meisterwerk entdecken: ein neuer PoI direkt in der Mitte zwischen Asien und Europa. Und wir waren da ;-) Kathi hat aber auch völlig richtig angemerkt, dass jetzt wieder jeder weiß, dass keiner zu Hause ist und somit jeder jetzt auch ungestört unsere Wohnung ausräumen kann… Ruth bitte check das mal und trete jedem in seinen Allerwertesten. Und liebe Einbrecher: Achtung bei uns wacht die Kampfkrabbe!!!

Der eigentlich Grund für unsere Fährfahrt war aber eigentlich die Bitte meiner Mutter, dass wir auf dem ägyptischen  Bazar noch ein paar Gewürze besorgen. Gesagt getan. Nach der Fähre geht es durch verschiedene Unterführungslabyrinthe direkt in den Gewürzbasar. Im Labyrinth haben wir aber schon sehr lustige Spielsachen gesehen und klarerweise auch gleich für Kathis Neffen kräftig eingekauft. Liebe Eltern, freut euch auf jede Menge tolle, nervtötenden, lauten und bunten Kram!

Der Basar war klarerweise voll mit Touristen. Neben Gewürzen gab es zum Glück auch wieder jede Menge Handtaschen, P0los, Pullis und so weiter. Klein Kübler das Verhandlungsass (immerhin zweimal die Vorlesung Negotitation mitbetreut) hat sich dann auch sofort wieder vom Araber nackt machen lassen. Polo rausgesucht, verhandelt, dann entdeckt, dass LaMartina eigentlich gar nicht so seines ist, auf Paul Shark wechseln wollen, nur um sich zu wundern, dass Paul Shark, obwohl überhaupt unbekannt, dreimal so teuer sein soll, wie LaMart(ü)na… Seis drum, ich hab jetzt ein rotes Langärmpolo, mit Porsche, Polo und zwei Pferden drauf… Für 20 Lira beschwere ich mich nicht. Für den nächsten Besuch schreibe ich mir einen Verhandlungsplan, wie aus dem Lehrbuch. Emotionale Basis aufbauen, Small Talk, Verhandlung, Eskalation und für beide Seiten tragbarer Ausstieg. Und dann wird der Abdul platt gemacht!

Der zweite Verhandlunsgverlauf war übrigens ebenso bescheiden. Wäre Herr Kübler ein Bachelor gewesen, mit Sicherheit hätte es eine verdiente 5,0 gegeben. Tolle Gewürze, toller Small Talk, Verkäufer baut die Verbindung auf, und erklärt uns dann beim Abwiegen, dass aufgrund der Vakuumierung immer mindestens 100g gekauft werden müssen. Ich Depp vergesse natürlich sofort zu sagen, dass mir das egal ist, weil ich ja gar nich vakuumieren will. Dazu gebe ich beim Small Talk gleich mal an, dass ich als Visiting Scholar an der Uni des reichsten Türken arbeite… Dämlicher gehts kaum und die Quittung kommt auf dem Fusse. Für drei unterschiedliche (aber immerhin sehr sehr gute) Gewürzmischungen will der gute Abdul gleich mal 40 Euronen. Ich schlucke, zahle und verschwinde bedröpelt gleich aus dem ganzen Basar. Kein Lehrstück für Kundenbindung, obwohl mir der gute Herr auch gleich noch seine Visitenkarte mitgibt und meint, dass ich jederzeit in meinen drei Monaten ein gern gesehener Gast sei… Stimmt, Dönergewürz, Muskat, Zimt, Cardamon und so weiter brauche ich ja auch noch. Aber tief in mir drin schreit ein kleiner Asiate, dass ich das alles bestimmt viel besser und günstiger auf dem Ostufer des Bosporus bekomme, wo ja auch Alis Eltern einkaufen. Weil Europa und so ja nur für den Touri und den Tourinepper ist…

Während ich weiter tief in mich reinfluche, lacht Kathi über mich und tröstet mich mit ein paar schlauen Worten aus unserem Baedecker über die anstehende Tour durch das Galata-Viertel. Davor aber gibt es die Galata-Brücke. Eine faszinierende Brücke, die in der langen Geschichte von Byzanz, Konstantinopel und Istanbul schon viele Male errichtet wurde und Galata sowie das mittelalterliche Zentrum mit der Hagia Sophia und dem Basar über das goldene Horn hinweg verbindet. Selbst der Istanbul-Blog der Tagesschau hat der Brücke und ihren Anglern schon einen eigenen Beitrag gewidmet  hat. Auch heute hat sich wieder ein Heer von Anglern auf der Brücke eingefunden, die in einer vollendeten Symphonie von Routenwürfen und Angelbewegungen Petris Heil suchen. Wir schlängeln und durch die verschiedenen Angler und bestaunen die reichhaltige Beute der verschiedenen Männer.

Danach geht es steil bergauf zum Galataturm, der das Viertel krönt. Unten am Fusse schlängeln sich hunderte von Touristen um den Turm und warten auf den Fahrstuhl. Schlangenlänge und meine neue Höhenphobie haben bewirkt, dass wir dieses wörtliche High-light ausgelassen haben und gleich weiter die städtische Hauptstrasse mit ihren bekannten Trams entlang gewandert sind. Istanbul ist hier wirklich am europäischsten, voller Boutiquen, Ladenketten, Starbucks und MacDoofs. Dazwischen junge Studenten und klarerweise jeder Menge Touris. Ihr seht: nicht unbedingt unsere liebste Umgebung. Mit der restlichen Liebe wurde dann auch ganz schnell schluss, als wir in eine für uns nicht ganz ersichtliche Demonstration gerieten. Um was genau es ging, erschloss sich uns nicht so ganz. Die Demonstranten selbst skandierten immer wieder die Namen der kürzlich gefallenen Polizisiten und Soldaten, die in Kurdistan zu Tode gekommen sind. Nachdem plötzlich die Demonstranten von mit Glasschilden, Schlagstöcken und Kampfuniformen gewappneten Polizisten flankiert wurden, machten wir uns schnell von dannen Richtung Taksim Platz, der uns als chaotischster Punkt der Metropole versprochen wurde. Ganz konnten wir diese Empfehlung nicht nachvollziehen, flüchteten aber auch hier schnell vor weiteren Hundertschaften an bewaffneten Polizisten, die mit Sturmgewehren bewaffnet sich in die Innenstadt von Galata aufmachten. Ob das jetzt ein normaler Fussballsamstag von Galataseray war, oder ob diese Bilder im Kontext des wiederaufgeflammten Kurdenkonflikts entstanden sind, wissen wir beide nicht…

Der weitere Weg führte uns noch runter ans Wasser, weiter durch das Künstlerviertel zurück zur Galatabrücke. Dabei fiel uns auf, dass in Istanbul noch ein weiteres ökonomisches Gesetz Anwendung findet. Ich erinnere mich an eine Handelsmanagementvorlesung von Prof. Klapper aus meinen frühen Jahren in Kiel. Klapper diskutierte damals mit uns, dass es sinnvoll sei in der Nähe eines Mitbewerbers ein eigenes Geschäft zu eröffnen, da dies den Effekt mit sich bringe, dass man dessen Kundschaft eben auch noch mitbekommen würde. In Istanbul wurde dies perfektioniert. Rechts neben der Galatabrücke beginnt Europas größter Baumarkt. Gefühlt tausende von kleinen Handwerksgeschäften und Hinterhofbasaren mit Millionen von Sanitär-, Werkzeug- und Technikteilen locken den Kunden. Dazwischen fliegende Händler mit gleichem Warenangebot. Tim Taylor hätte seine Freude. Das gleiche Phänomen begegnet uns am Bosporusufer von Galata. Hier reiht sich ein Tauchgeschäft und ein Bootsaustatter an den anderen. Unser Weg schlängelt sich durch Ständer mit gebrauchten Aussenbordern, die Auslagen wechseln sich mit Gummibooten, Fendern, Harpunen und Angelbedarf ab. Das Highlight dieser Saison, das in keinem Schaufenster fehlen darf: der modische Neopren zum Tauchen in Nato-Tarnfleck mit passen lakierter Harpune!

Unser Rückweg führt uns wieder über das goldene Horn. Bevor wir mit der Fähre zurück fahren, wollen wir doch noch mal die Blaue Mosche besuchen und dieses Mal auch nach drinnen. Um die Wartezeit durch die Gebetsstunde zu verringen, wollen wir in einem uns von einer Freundin von Kathi empfohlenen Restaurant in der Nähe der Moschee die berühmten Köfte essen. Was wir nicht wissen, es gibt jede Menge Sultan Mehmed Restaurants und jedes bietet Köfte an. Unser auserwähltes preist seine Köfte für 14 Lira auf der Karte an. Wir gehen voller Vorfreude zu Tische. Für die 14 Lira bietet man uns immerhin 3 (sic!) Hackfleischbällchen an. Immerhin gibts dazu noch Bulgur und wir bestellen noch zwei Colas dazu. Der Kellner macht einen leicht genervten Eindruck, dass wir nur ein Gericht bestellen, aber was solls. Am Ende bekommen wir aber die Quittung. Man will 30 Lira von uns. Auf Kathis erregte Nachfrage, woher dieser Betrag den stamme, wird uns haarklein aufgerechnet. 14 Lira für die drei Fleischbällchen (wirklich BÄLLCHEN),  8 Lira für die Colas und 8 Lira für den Bulgur, also die Beilage. Wir zahlen, lassen aber noch brav einen Igel vor Ort und reizen unsere Cola-Trinkzeit bis zum letzten Tropfen aus. Nunja, bis uns die Kellnerin genervt die Dosen vom Tisch zieht… Die Lehre: Nie wieder Essen gehen im touristischen Zentrum und bitte liebe Leser: GEHT NIE INS SULTAN MEHMET RESTAURANT vor der Hagia Sophia! So!

An der blauen Moschee warten wir ein bisschen, bis wir als eine der ersten rein dürfen. Schuhe aus, Kathi setzt sich ein Tuch auf und dann über den Teppich in das Innere der Mosche. Eine irre Stimmung entfaltet sich. Ruhig andächtig und durch das Licht und die tausenden blauen Kacheln eine unbeschreibbare Stimmung. Wunderschön! Gerne haben wir beim rausgehen dann auch für das Haus und seine karitative (kann man das bei einer Moschee schreiben) Arbeit.

Mit der untergehenden Sonne geht es zurück über den Bospurus nach Asien. Morgens hatten wir endlich eine aufladbare Buskarte bekommen und machen uns zurück in Üsküdar auf die Suche nach dem richtigen Bus zurück nach Camlica. Nur mal zur Erklärung, Üsküdar selbst ist der erste Stadtteil auf der asiatischen Seite und hat mehr als eine Million Einwohner. Diese Stadtteile sind daher wieder in Bezirke untergeordnet (in unserem Fall ist das Kisikli), die dann wieder in Stadtteile unterteilt sind (in unserem Fall Camlica). Camlica kann aus unserer Sicht auch locker mit Kiel mithalten. Entsprechend schwierig ist es jemanden zu finden, der einem sagen kann wo man wie hinkommt. Wir irren durch den riesigen Busbahnhof von Üsküdar und suchen die sprichtwörtliche Nadel im Heuhaufen. Von der Herfahrt wissen wir, dass wir mit einer 11er Linie fahren können. Die finden wir aber nicht auf Anhieb. Nach ein bisschen Wandern klappt es aber immerhin. Anscheinend ist der Bahnhof in Sektionen unterteilt. Jede Nummer (von 1-32) hat ein eigenes Arenal. In diesem Arenal stehen dann die verschiedenen Linien der Nummern. Sprich so ne 11 gibt es dann in 11A-11ÜS. Je nach Buchstaben fährt das Ding dann verschiedene Bezirksteile wieder an. Die Nummer garantiert also eine gewisse Himmelsrichtung, aber sicherlich noch nicht die richtigen Haltestellen. Irgendwann fragen wir einen Bahnsteigsarbeiter nach der passenden Zahl und den passenden Buchstaben. Im Grunde sind wir stolz wie Bolle, dass unser bescheidenes Türkisch mittlerweile für solche Aktionen reicht. Denn wie gesagt: die Frage nach Englisch endet immer mit einem freundlichen Lächeln und einem Schulterzucken. Der nette Herr nimmt uns gleich an die Hand, sucht einen Bus, lässt sich noch mal per Google Maps unsere Haltestelle zeigen, sucht dann einen anderen Bus, stellt uns dem Fahrer vor und erklärt auch noch mal diesem, wo genau wir hin wollen und müssen. Wir setzen uns also in die 11ST und genießen die Fahrt, den chaotischen Verkehr, die Kakophonie an Hubtönen und das Ein- und Aussteigen der vielen Türken unterwegs. Irgendwann geht es an der Özyegin University vorbei und wir erkennen langsam vertrautes Terrain. Als wir dann irgendwann aufstehen, weil wir Angst haben, dass wir sonst nicht rechtzeitig durch den voller besetzten Bus zur Türe kommen (altes Schulbussyndrom), schickt der Fahrer gleich hektisch jemanden zu uns, um uns klar zu machen, dass es zum Aussteigen noch zu früh sei. Wir bleiben trotzdem an der hinteren Türe stehen. Mit leichtem Respekt, denn diese wird zur Lüftung auch nicht bei Tempo 60 geschlossen. Wir ihr lesen könnt haben wir es aber trotzdem nach Hause geschafft.

Auf den letzten Metern zu Fuss stoppen wir noch in einem Supermarkt, den wir gestern schon erkundet haben (der ohne Strom). Heute hell erleuchtet, staunen wir über das Angebot. Oliven, eingelegte Chillis, jede Menge frische Kräuter und Gewürze, Fladen, Früchte und so weiter. Zum Abendessen gibt es wieder Köfte. Drei Stück für 3 Lira. Die Gewürze sind ebenso günstig, so dass ich befürchte, dass Abdul vom Bazar mich nicht mehr zu Gesicht bekommen wird…

Abendessen ist herrlich, wir sinken erschöpft ins Bett und freuen uns auf einen hoffentlich ebenso tollen Sonntag!

Bis dahin, Hosca kal!

Kathi und Raoul

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