Freitag/Cuma – you can’t get lost in Asia
Ihr Lieben,
heute melde ich mich zu Wort, nachdem es Raoul dahingerafft hat. Reichliches Viren Ping-Pong im Hause. So denn, er wird schon wieder.
Ihr sollt nicht unbeteiligt bleiben an ein paar wunderbaren Momenten, die wir am Freitag und Samstag in der Stadt hatten. Erste Bilder durftet Ihr schon bewundern, hier nun noch die Geschichten dazu:
Raoul hat die Woche von Montag bis einschließlich Donnerstag gearbeitet. Für mich gab es nicht so viel zu tun. Die Wohnung ist geputzt und wird so schnell gar nicht wieder dreckig wie ich Zeit hab.
Ich habe mir die Zeit mit an der Uni, im Einkaufszentrum und zu Hause vertrieben. Muss jedoch sagen, dass dies ein ähnliches Phänomen wie Strandurlaub bei mir darstellt. Den kann ich auch maximal drei Tage gut ertragen, danach setzt akute Verdummungsangst ein und ich bekomm Hummeln im Hintern. Alleine losziehen war nur halb so lustig, so dass ich mich freute, dass Raoul sich am Freitag frei nahm.
Ziel war DIE Einkaufsstrasse der Asiatischen Seite: Bagdad Cadessi. Viel davon gehört und darum sehr neugierig. Zudem ein Viertel auf der Asiatischen Seite Istanbuls, was als Wohnviertel ein guter Tipp sein soll.
Dieses mal war der Städtische Linienbus unsere Wahl. Sitzplatz, mit Istanbulcard zahlbar und weniger Party als der Minibus. Wie schon beschrieben gibt es dieses Phänomen der (ich nenn sie immer) „Mottostraßen“. Eine für Werkzeug, eine für Angelsachen, eine für Lampen,…. Neu entdeckt haben wir die für Tierbedarf: Futter, Körbe, Leinen, etc. Wenn ich es gerade recht überlege, ich habe schon hunderte frei herumlaufender Hunde und Katzen gesehen aber noch nicht ein Tier an einer Leine. Werde das beobachten.
Nach einigen Richtungswirrungen hatten wir die Bagdad Cadessi gut gefunden. Idee war, diese mit dem Bus bis ans andere -interessante – Ende zu fahren. Blöd nur, das ist ne Einbahnstraße und ihr dürft Raten an welcher Stelle wir waren – Richtig! Also laufen. Tat gut und war eh viel spannender.
Die Straße selbst ist auf der asiatischen Seite von Istanbul das Who ist Who einiger sehr bekannter Marken. Einige nennen sie auch die Champs-Élysée der Türkei. Nachdem ich mir nun den direkten Vergleich erlauben darf, unterschreibe ich das nicht. Bagdad Cadessi ist um einiges schöner. Eine gute Mischung aus tollen, zum Teil auch bekannten Läden, netten Cafés und kleinen Restaurants. Alles sicherlich teurer als hier um Raouls Wohnung in Üsküdar, aber immer noch erschwinglich.
Zudem liegt die Straße an einigen Stellen keine 50m zum Wasser, der Hafen mit den wichtigen Fähren nach Europa ist nicht weit, sogar eine Shuttlefähre (inkl. Bus) zum Flughafen Attatürk fährt ganz in der Nähe ab. Auch ist der Fehnerbace Yachtclub und das zugehörige Fußballstation (alles ein Club!) nicht weit. Die Häuser sehen alle neu und sehr gepflegt aus und scheinen nach 1999 gebaut.
Oben angekommen haben wir gleich mal Einzug in eines dieser kleinen Café, Restaurant, Brasserie-dinger gehalten. Volltreffer und echt gute Wahl getroffen. Wie wir später erfahren haben ein junges Franchiseunternehmen aus Ankara – “Big Chef”.
Unser Tisch war am Fenster und so hatten wir den guten Beobachterposten nach draußen. Schon häufig sind mir vor Läden Pylonen aufgefallen, die oben Schilder mit dem Logo oder dem Namen des Ladens tragen, vor dem sie stehen. Im “Big Chef” genauso. Zunächst dachte ich immer das ist die türkische Variante vom Kundenparkplatz – ist es auch in vielen Fällen. Hier war es etwas anders gelagert:
Hielt ein Wagen vor dem Big Chef, kam einer von drei jungen Männern auf das Auto zu, übernahm den Wagen und fuhr ihn auf den eigenen Hinterhofparkplatz. So hatten die vornehmlich weiblichen Fahrerinnen und ihre Freundinnen genug Zeit für den stilechten Auftritt. Ganz wie im Film, Täschchen in der Armbeuge, 12cm Highheels (Minimum), Haare zurück, Kopf hoch, Bauch rein und dann Catwalk bis zur Tür. Faszinierend.
Zurück lief das Spiel ähnlich: Sie raus, Nummer einem der drei Jungs gegeben, der rennt (nicht geht!!!) zum Auto und fährt die gute Karre wieder vor. Trinkgeld und Los. Und das ist einem Laden, wo ich zwei Hauptgerichte mit Getränken und Tee für 25 Euro bekomme. Lohnkosten können hier nicht der Grund für hohe Arbeitslosigkeit sein.
Zurück wollten wir an den Hafen von Kadiköy, um am gleichen Tag noch nach Europa überzusetzen. Da die Füße schon reichlich platt waren, haben wir uns für die S-Bahn entschieden. Debüt und super. Zwar wohl eher aus den 50er Jahren aber fährt, ist beheizt (sicher nur im Winter) und schnell.
Rüber mit der guten Fähre. Ableger Kadiköy Bahnhof.Es gibt kein schöneres Verkehrsmittel in dieser Stadt. Hier, wo vieles den ganzen Tag hetzt, laut ist, rennt, hupt, ist Fähre fahren eine Art Zwangsentschleunigung. Für 20 Minuten einfach dasitzen, Möwen gucken, die Stadtsilhouette anschauen, Schiffe und Angler gucken, wieder die Stadt anschauen, Leute gucken, Tee trinken. Wunderbar. Es gibt nichts Schöneres.
In Europa stand auf dem Tagesprogramm noch das „Istanbul Modern“, das Museum für Moderne Kunst. Ich hatte gelesen, dass im Moment dort eine Fotoausstellung von Panoramabildern sein sollte. Wahrscheinlich der einzige Grund, warum ich Raoul zu der Tour noch überreden konnte, denn wir waren echt schon nen gutes Stück unterwegs gewesen.
Die Security am Eingang machte Ihren Job wieder recht gewissenhaft. Keine Jacke ausziehen, nur Tasche aufs Band, durch die Schleuse, alles Piept – egal – weiter.
Im Museum, fanden wir schnell die weniger Bilder. Sehr schön, leider nicht so viele. Ein paar wenige von Ara Güler dabei – ein Glück. Der Rest der Ausstellungen sehr interessant aber ich war sicher schon zu müde, um das noch als Kunst zu interpretieren. Sicherlich haben sich die Künstler dabei irgendwas gedacht (offener Kunstbegriff und so…)
Die 1,5 Stunden heimreise bis zur Wohnung gehen immer recht schnell vorbei. Hinterher ist man verwundert, wie lange es dann doch immer dauert. Eingepfercht im Minibus sind die Fahren vom Üsküdar Fähranleger bis zur Wohnung immer wieder ein Highlight. So langsam durchschauen wir das System. Mit den wenigen Worten Türkisch können wir nun mittlerweile unsere Haltestelle nennen, dem Fahrer die 3 Türkischen Lira geben, die eine Fahrt für zwei Personen kostet und dann hoffen, dass das „Allah Korsun“, was irgendwo immer auf diesen Minibussen steht, uns als Christen auch mit beschützt. Umfallen ist meist nicht möglich, dafür sorgen die stehenden Fahrgäste um einen herum. Was mir bei der ganzen Sache immer wieder positiv auffällt ist, dass der Umgang trotz großer Enge sehr höflich, freundlich und nachsichtig ist. Frauen wird sofort ein Sitzplatz angeboten, Kinder werden bei fremden Frauen einfach auf den Schoß gesetzt, damit sie nicht im Gedränge untergehen, das Geld eines Fahrgastes wird auch noch aus der letzten Reihe nach Vorne gereicht und ihm das Wechselgeld auch durch den ganzen Minibus wieder zurück ohne das ein Lira fehlt. Trotz eines bis an die Grenzen ausgelasteten Verkehrssystems (und nicht nur das), arrangieren sich die Menschen damit mehr als gut.
Der Busfahrer ist sogar so freundlich, uns noch auf die richtige Haltestelle hinzuweisen. Als wir einmal etwas früher ausstiegen, weil er im Stau stand und wir laufen für besser hielten, haben uns selbst noch Fahrgäste angesprochen, dass das aber noch nicht die Haltestelle sei, die wir genannt und bezahlt hätten. Es fällt auf, dass die Menschen trotz einer so großen Masse, sehr aufeinander achten.
Ach übrigens: Seit ich hier bin, läuft jeden Morgen beim Duschen mehrere Liter Wasser nicht wie vorgesehen den Ausfluss entlang, sondern ergießen sich in Sturzbächen durch das Bad. Seit zwei Wochen versuchen wir, einen Klempner dafür zu bekommen. Bis jetzt kein Erfolg. Nicht mal die (vielleicht oder sicherlich? )notwendige Bakschischannahmestelle konnte man uns nennen.
Bis bald*