Istanbul Kulinarisch / Folge 3
Die letzten Tage waren von Umzug und Eingewöhnung geprägt. Der neue Campus überrascht uns doch immer wieder. Kein Wunder also, dass mein Magen nach etwas Gewohntem schreit und mich am Ende zu teutonischer Kost verführt. Gesagt, getan. Die herrlich filetierten Schnitzel vom frischen Huhn und Dank der super Hilfe von Semmelbröseln (bzw. Sümmelbrüseln) vom türkischen Stangenekmek habe ich mir gleich mal schön Schnitzel Wiener Art mit eigenen Pommes gemacht. Quasi als Brückenschlag zwischen Konstantinopel und der Heimat. Schließlich kam der Muselmann auch nur bis ins schöne Wien.
Herrlich auch die Kartoffeln. In Geschmack und Stärkegehalt kaum zu übertreffen. Dazu lässt die Größe mancher Exemplare manchmal schon befürchten, dass die Dinger auch als Waffe eingesetzt werden könnten. Machen dafür aber herrlich lange Pommes. Zu trinken würde sich sicherlich ein kühles Effes anbieten. Allerdings habe ich es derzeit nicht so mit dem Hopfen. Die Türkei bietet schließlich eine hervorragende Auswahl an Rot- und Weißweinen an. Die sich auch (zumindest im Top-Segment) in Geschmack und Qualität kaum hinter den gallischen Produkten verstecken müssen. Sicherlich würde sich alleine zu diesen vielen Entdeckungen ein eigener Blog lohnen. Ohne eventuellen Posts vorgreifen zu wollen, sei doch auf die beiden besten Entdeckungen hingewiesen.
Mein absoluter Favorit derzeit sind verschiedene Rotweine von Sevilen. Das Weingut wurde 1942 von den Gebrüdern Güner gegeründet. Beide Brüder waren bulgarische Immigranten, die auch in Frankreich eine gewisse Lehrzeit verbracht haben. Sevilen’s Logo liegt aus meiner Sicht sehr nahe an einer bekannten Weinmarke aus Süd-Afrika. Vielleicht hatte ich auch deswegen beim ersten Mal rein “zufällig” mich für diesen Wein entschieden. Die meisten der roten Sevilen kommen aus dem Süden der Türkei und bringen somit – fast auch schon typisch für türkischen Rotwein – ordentlich Kraft mit. Leider hatte ich bis dato – auch aufgrund des Preises – nur recht junge Weine zum probieren. Ich bin mir sicher, dass dem oder anderen ein paar Jahre Ruhe und Abgeschiedenheit sehr gut tun würden. Nichts desto trotz begeistert die Aromenfülle, frische Beeren und ein Alkoholgehlt jenseits der 14 Volumenprozent. Zuletzt hatte ich einen Sevilen aus 2009, der auch bei der Mondiale des Vins eine Silberne Medaille gewonnen hat. Ich weiß zwar, dass diese Wettbewerbe mittlerweile inflationär sind, allerdings überraschte dieses Exemplar durch eine wirkliche Milde und Ausgewogenheit.
Andere große Namen aus der türkischen Weinwelt sind im Übrigen Kavaklıdere, Buzbag oder Pamukkale. Letzterer muss wohl auch irgendwas mit Baumwolle zu tun haben. Zumindest heißt der Baumwollspülgang meiner Waschmaschine auch Pamuk…
Wer etwas mehr Infos will, sei auf die verschiedenen sehr guten und informativen Seiten der einzelnen Weingüter und Hersteller verwiesen. Ich bin mir aber sicher, dass ich noch den ein oder anderen Bericht hierzu verfassen werden!
Ansonsten habe ich noch etwas anderes Witziges zu berichten. Auf der Suche nach Limetten habe ich neulich eine sehr merkwürdige Frucht entdeckt. Eigentlich dachte ich ja, als diese grünen, runden Zitronen im Regal lagen, dass es die perfekte Zutat zum Gin-Tonic wäre. Also leichtfertig ein paar die Tüte gestopft und nach Hause geschleppt. Obwohl die Schlepperei mehr an dem zugehörigen Tonic lag. Zu Hause also den ganzen Kram ordentlich in den Kühlschrank gestopft und vergessen. Gestern Abend, nach langer Vorlesung und wirklicher Müdigkeit, wollte ich mich dann noch mit einem GT belohnen. Also ab zum Kühlschrank, Eiswürfel, Tonic, Gin, Zitronen, Limetten und ne Salatgurke zurechtgelegt. Das ganze angemischt und zum Schluss noch zwei Scheiben Limetten rein. Kaum rücke ich den grünen Dingern zu Leibe, wird es wundersam. Anstelle des üblichen weißen oder gelben Furchtfleisches, sind die Dinger innen total orange. Riechen auch genau so: nach Orange. Egal. So ein GT darf ja heute auch gerne etwas mehr Frucht haben. Also alles rein. Schmeckt auch total lecker. Mehr so nach Grapefruit (also leicht bitter, etwas sauer) hat aber auch leichte Noten von Orange. Summasumarum: Passt super zum Tangeruy Gin. Allerdings dann keine Gurke.
So jetzt ist aber Schluss mit dem Alkoholgeschwafel. Schließlich warten auf meinem Schreibtisch noch zwei Paper auf weitere Anteilnahme. Koen und Tom sind heute auf dem Weg über den Atlantik und präsentieren Ende der Woche unser Emerging Markets App Paper in Wharton auf der Marketing Science Emerging Markets Conference. Wir hoffen alle, dass das Feedback ähnlich positiv ausfällt wie bei der gerade vergangenen Salty Konferez in Hamburg. Tom hatte das Paper fulminant präsentiert. Auch wenn wir seit seiner Übungspräsentation an der KLU Donnerstag vor einer Woche noch einmal kräftig schwitzen und schrauben mussten. So wie es allerdings aussieht, können wir uns ganz gute Hoffnungen machen! Ich bin gespannt. Sobald es etwas neues gibt, halte ich euch auf dem Laufenden!
Liebe – noch unbeschwippste – Grüße aus Istanbul
Raoul